Der frühere Energiemanager und Oberbürgermeister Düsseldorfs verteidigt Gerhard Schröders Engagement in Russland und fordert eine realistische Energiepolitik Deutschlands. Wer aus allem zeitgleich aussteigt, müsse sich nicht wundern, wenn die Abhängigkeit von fremden Mächten größer wird.
Politiker, nicht nur von CDU und FDP, fordern, dass Gerhard Schröder seine „Apanage“ als Ex-Bundeskanzler entzogen wird, wenn er in den Aufsichtsrat von Gazprom gewählt wird.
Diese Forderung ist insofern berechtigt, als die Vergütung für ein derartiges Mandat – zumal zusätzlich zu den bereits bestehenden Mandaten Schröders bei Rosneft und Nord Stream 2 – mit Sicherheit so auskömmlich ist, dass der Ex-Kanzler auf derlei Zuwendungen aus dem Staatssäckel nun wirklich nicht mehr angewiesen ist.
Unberechtigt ist sie allerdings, wenn sie als Strafaktion dafür gedacht ist, dass Schröder mit seinem Duz-Freund Putin gemeinsame Sache macht und dadurch angeblich nationale Interessen unseres Landes gefährdet.
Was wohl passieren würde, wenn ein ehemals hochrangiger russischer Politiker in den Aufsichtsrat eines bedeutenden deutschen Konzerns – BASFetwa oder Mercedes-Benz – gewählt würde ich. Kaum vorstellbar, dass sich die russische Öffentlichkeit hierüber echauffieren würde, auch wenn – oder vielleicht gerade weil – sich der Konzern an Sanktionen gegen Russland beteiligt, beziehungsweise beteiligen muss.
Die Russen wären wohl eher stolz auf „ihren“ Mann und würden ein derartiges Mandat als Zeichen für das Interesse Deutschlands an guten Beziehungen zu Russland deuten.
Gerhard Schröder hingegen wird unterstellt, er ließe sich von Russland instrumentalisieren, um unser Land insbesondere vor dem Hintergrund der möglicherweise bevorstehenden Inbetriebnahme von Nord Stream 2 noch abhängiger von russischem Erdgas zu machen, als es ohnehin schon ist.
Eines ist richtig: Deutschland ist abhängig von russischem Erdgas und der Anteil russischer Importe am Erdgasaufkommen ist in den letzten Jahren gestiegen.
Zu behaupten, dafür seien Putin und Gazprom verantwortlich, ist freilich eine ziemlich groteske Verwechslung von Ursache und Wirkung.
Gazprom nicht schuld an Deutschlands Energieabhängigkeit
Denn die zunehmende Abhängigkeit von Erdgasimporten ist keineswegs das Ergebnis finsterer Machenschaften von Gasprom und Konsorten, sondern die Konsequenz souveräner Entscheidungen der Bundesrepublik Deutschland.
Wer beschließt, den letzten Atommeiler noch in diesem Jahre abzuschalten, und innerhalb weniger Jahre auch aus der Steinkohle- und Braunkohleverstromung auszusteigen, braucht sich nicht wundern, wenn die Abhängigkeit von Erdgasimporten steigt. Dabei bleibt es übrigens auch, wenn es Herrn Habeck je gelänge, seine kühnen Ausbaupläne für die erneuerbaren Energien zu realisieren.
Denn selbst wenn das ganze Land mit Solarpanels zugepflastert und mit Windrädern „zugespargelt“ würde, wird sich nichts daran ändern, dass Wind und Sonne in unseren Breiten lediglich sporadische Gastspiele geben und deshalb sichere elektrische Leistung nicht ersetzen können.
Da die heimischen Erdgasvorräte begrenzt sind und zunehmend nur noch durch den Einsatz von Fracking-Technologien gefördert werden können, wird die Abhängigkeit von Erdgasimporten also weiter steigen.
Um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten, kommt es daher auf die Diversifizierung der Bezugsquellen an.
Je mehr Pipelines und je mehr Rückvergasungskapazität für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) zur Verfügung steht, desto besser. Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ziemlich bizarr. Denn eine zusätzliche Pipeline verbessert die Versorgungssicherheit, und selbst dann, wenn sämtliche Mengen, die bislang durch die Ukraine geleitet werden, zukünftig nur noch über Nord Stream 2 nach Deutschland gelangten, wäre die Situation für Deutschland jedenfalls nicht schlechter, sondern insofern besser, als das Gas auf direktem Wege zu uns käme und nicht zum Zankapfel politischer Differenzen zwischen Russland und den gegenwärtigen Transitländern werden kann.
Und selbstverständlich kann Erdgas, das in Greifswald ankommt, über das verzweigte Transport- und Verteilungsnetz auch an unsere Nachbarländer in Europa weitergeliefert werden.
Nord Stream 2 eignet sich nicht als politische Strafaktion
Nun mag man einwenden, dass vor dem Hintergrund einer „wertebasierten Außenpolitik“ und aktueller russischer „Erpressungsversuche“ gegenüber der Ukraine, ein deutliches Zeichen gesetzt werden sollte, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern.
Mit Nord Stream 2 hat diese Diskussion aber gar nichts zu tun, denn die Möglichkeit dazu besteht schon heute. Europaweit bestehen Kapazitäten in einer Größenordnung von über 250 Milliarden m³ pro Jahr für den Import von LNG. Diese sind gegenwärtig nur deshalb unzureichend ausgelastet, weil Pipeline-Gas aus Russland oder Norwegen eben wesentlich preiswerter ist.
Selbst wenn wir bereit wären, unsere Abhängigkeit von Russland mit (noch) höheren Energiepreisen zu bezahlen, bleibt ein Dilemma. Hauptexporteur von LNG ist Qatar und damit ein potentieller Handelspartner, mit dem sich eine „wertebasierte Außenpolitik“ wohl nicht allzu gerne schmücken möchte.
Alternativ könnte man LNG aus den USA importieren, das mit zweifelhaften Fracking-Methoden gefördert wird, was Außenministerin Baerbock vor gewisse Erklärungsprobleme gegenüber ihrer grünen Klientel stellen dürfte.
Es wäre wünschenswert, wenn die – wie gesagt: hausgemachte – Abhängigkeit von Energieimporten Anlass gäbe, unsere Beziehung mit Russland generell zu überdenken. Statt Säbelrasseln und Ideologie sollten wir ernsthaft darüber reden, wo wir gemeinsame Interessen haben. Und Energiebeziehungen haben dabei schon in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle gespielt. Immerhin war das Erdgasröhrengeschäft der siebziger Jahre ein entscheidender Meilenstein in der Entspannungspolitik, die schließlich zum Ende des Eisernen Vorhangs führte.
Heute geht es ganz wesentlich um die „Balance of Power“ mit China, man könnte auch sagen: um die Eindämmung der imperialistischen Bestrebungen der Volksrepublik.
Russland hat daran ein vitales Interesse, wenn man bedenkt, dass gut 10 Millionen Russen in Sibirien 1,5 Milliarden Chinesen südlich der Grenze gegenüberstehen. Und eine Allianz zwischen Russland und China nach dem Motto „the enemy of my enemy is my friend“ wäre gerade unter dem Gesichtspunkt der Energieversorgungssicherheit für Deutschland verhängnisvoll.
Man mag sich nur einmal vorstellen, wie groß das Geschrei gewesen wäre, hätte Moskau die Milliarden, die Nord Stream 2 gekostet hat, in eine Pipeline nach China investiert.
Es geht auch um Stabilität im Nahen Osten und der arabischen Welt und um die Bekämpfung des islamistischen Terrors. Auch hier haben der Westen und Russland gemeinsame Interessen. Und natürlich geht es auch um Menschheitsherausforderungen wie Klimawandel und Umweltzerstörung.
Vernünftige Energiebeziehungen im beiderseitigen Interesse können ein erster Schritt sein, um hierüber ins Gespräch und zu konkreten Lösungen zu kommen. Und vielleicht hilft es da ja auch, wenn ein Deutscher im Aufsichtsrat von Gazprom sitzt.
Der Beitrag wurde am 07.02.2022 auf thepioneer.de veröffentlicht; https://www.thepioneer.de/originals/thepioneer-expert/articles/deutschlands-fatale-energieabhaengigkeit
SP(utin)D
Ihre Partei, die zweimal auch die meinige war, sollte das Logo ändern.
Putin hat NS2 nicht bezahlt! Bezahlt haben europäische Firmen, wie Uniper!
Und sowohl Schröder als auch Sie selber reden, wenn es um Putin geht, ja nicht nur über Energie und Gas! Sie reden beide gerne über die Ukraine! Und Schröder hält dem Kriegsverbrecher Putin munter weiter die Stange! Schröder sagt, von Butscha wisse Putin nichts. Sie sagen, das was dort passiert sei, sei nicht so schlimm, Dresden sei schlimm!
Es reicht, Herr Geisel!